Interkultureller Austausch rund um den geografischen Mittelpunkt Europas

Die Verwirklichung von Völkerverständigung und des Gedankens der Versöhnung sind durch persönliche Begegnung und unmittelbaren zwischenmenschlichen Austausch deutlich und erlebbar zu machen. Es bestehen erhebliche Defizite in der Kenntnis der Aufführungspraxis und des musikalischen Verständnis mit Ländern des osteuropäischen Kulturkreises, beispielsweise der Republik Belarus/ Weißrussland.

Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, deutsches Kulturverständnis im Ausland zu präsentieren und durch interkulturellen Austausch zu einem besseren Verständnis unterschiedlicher Kulturen sowie zum Abbau von Vorurteilen, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus beizutragen. Auf Grundlage dieser Motivation hat sich in den vergangenen Monaten ein Ensemble formiert, welches sich dieser Aufgabe annehmen möchte:

Realisierung eines internationalen Kulturaustausches mit der Republik Belarus/ Weißrussland durch Gastspiele in Minsk, Hrodna und Polozk sowie Förderung der Konzerttätigkeit eines ausgewählten Nachwuchstalentes durch Einladung nach Jena mit Hospitation und Konzert.

 

Völkerverständigung   -  Öffnung Europas nach Osten

 

Eine Einladung des Botschafters zur Teilnahme an den sogenannten ‚Deutschen Wochen‘ liegt vor. Der innovative Charakter des Projektes kennzeichnet sich durch die unmittelbare Kombination einer Gastspielreise mit einer musik-pädagogischen Aufarbeitung zur Aufführungspraxis sowie mit individueller und wirkkräftiger Nachwuchsförderung, eingebunden in den Kontext völkerverständigenden Engagements.

Getragen wird das Projekt von zivil-gesellschaftlich engagierten Laienmusikern (vierstimmiger Chor, Kammerorchester) mit dem Willen, durch Studium, Präsentation und Diskussion über Musik Menschen einander näher zu bringen und zu einem besseren gegenseitigen Verständnis beizutragen.

Mit der geplanten Gastspielreise und den nachfolgenden Aktivitäten in Deutschland soll das Grundmotiv international engagierter Kulturakteure als Botschafter der Idee des Friedens, der Versöhnung, des Austausches und der Verständigung verdeutlicht werden. Zivil-gesellschaftlich engagierte Mitbürger aus beiden Ländern erlangen ein tieferes Verständnis für den jeweiligen kulturellen Kontext und wirken in ihrer Heimatstadt im Rahmen ihrer Möglichkeiten als Mittler bei kulturbedingten und kulturbezogenen Unterschieden zwischen Ost- und Mitteleuropa. Durch persönliche Begegnung und Selbstreflexion wird ein Perspektivwechsel hinsichtlich der Einstellung gegenüber einem in nicht ausreichend freiheitlicher Weise regierten Land im geographischen Herzen Europas ermöglicht. Musizieren und Musik verbindet, baut Brücken zwischen Mensch unterschiedlicher Kulturen und schafft gemeinsame positive Erlebnisse. Als Organisator sind die Antragsteller von großer Neugierde, Offenheit und Interesse seitens der Reiseteilnehmer und Zuhörer, sich auf ein anderes Kulturverständnis einzulassen, überzeugt.

Ende Juni hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Besuch in Minsk und der Einweihung der Gedenkstätte Malyj Trostenez am Stadtrand von Minsk deutlich gemacht:

Die gemeinsame europäische Verantwortung für das 'Nie wieder Krieg!' gründet auf dem Wissen um das, was Menschen – hier an diesem Ort – ihren Mitmenschen angetan haben.

Bundespräsident Frank-Walther Steinmeier, Minsk/Belarus am 29. Juni 2018

Malyj Trostenez war zwischen 1942 und 1944 die größte nationalsozialistische Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Sie ist – wie viele andere Orte auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion - in Deutschland und Europa als Vernichtungsort wenig bekannt. Opfer waren vor allem belarussische, österreichische, deutsche und tschechische Juden, Zivilisten, Widerstandskämpfer und Partisanen.

Mit unserer Gastspielreise möchten wir den Gedanken von Austausch und Versöhnung in die Lebenswirklichkeit umsetzen. Auch dabei berufen wir uns respektvoll auf eine Aussage des Bundespräsidenten:

Wir dürfen niemals vergessen: Der deutsche Vernichtungskrieg hatte zum Ziel, dieses Land und die Menschen, die in ihm lebten, auszulöschen. Umso tiefer ist meine Demut, umso dankbarer bin ich den Menschen in Weißrussland für die Bereitschaft zur Versöhnung.

Bundespräsident Frank-Walther Steinmeier, Minsk/Belarus am 29. Juni 2018

Reiseplan

23.9.     Kunitz          Aufführung Kirche Kunitz

1.10.     Minsk           Musik-pädagogisches Projekt Musikakademie Minsk

                                   Kandidatenevaluation und-Auswahl für Reisestipendium

                                   Aufführung Musikakademie

2.10.      Minsk          Mitwirkung beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit

3.10.      Minsk          Aufführung Marienkathedrale in Minsk

4.10.                          Besuch der Gedenkstätte Chatyn mit Andacht

               Vitebks       Kulturprogramm/Stadtführung Vitebks

5.10.      Polozk         Aufführung Sophienkathedrale Polazk

6.10.      Hrodno       Aufführung ev. Kirche Hrodno

 

Mitwirkende:

     Anna Gorgadze, Weimar                   Sopran (Solo-Parts)

     KMD Martin Meier, Jena                   Künstlerische Leitung

     Helga Assing, Jena                              musikalische Assistenz

     Dr. Klaus Baier, Kahla                       organisatorische Assistenz

     Kammerchor der Kantorei St. Michael zu Jena

     Collegium Musicum der Kantorei St. Michael zu Jena

 

 

Programm:

Orgelkonzert, op.3 g-moll von Georg Friedrich Händel

Christ lag in Todes Banden, Choralkantate von Johann Sebastian Bach, BWV 4

Nun komm, der Heiden Heiland, Kantate von Johann Sebastian Bach, BWV 61

Tollite hostias, aus Oratorio de Noël von Camille Saint-Saëns 

 

Haben wir Ihr Interesse geweckt? Bitte zögern Sie nicht, uns im Falle von möglichen Rückfragen anzusprechen. Gerne können Sie das Vorhaben, das mit beträchtlichen Kosten verbunden ist, finanziell unterstützen. Verpassen Sie am 23. September nicht die Gelegenheit, das Ensemble und das Programm in der Kirche Kunitz zu erleben!

 


 

Reise in die unbekannte Mitte Europas

Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, die Verwirklichung von Völkerverständigung und des Gedankens der Versöhnung durch persönliche Begegnung und unmittelbaren zwischenmenschlichen Austausch deutlich und erlebbar zu machen. Es bestehen erhebliche Defizite in der Kenntnis der Aufführungspraxis und des musikalischen Verständnis in Ländern des osteuropäischen Kulturkreises wie beispielsweise der Republik Belarus. 

Ende September brach ein Ensemble des Kammerchores und des Collegium musicums zu einer acht-tägigen Gastspielreise auf, um durch interkulturellen Austausch zu einem besseren Verständnis unterschiedlicher Kulturen sowie zum Abbau von Vorurteilen, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus beizutragen. Auf Einladung des deutschen Botschafters gestalten wir die traditionellen ‚Deutschen Wochen‘ rund um den Tag der Deutschen Einheit mit. Der innovative Charakter des Projektes kennzeichnet sich durch die unmittelbare Kombination einer Gastspielreise mit einer musik-pädagogischen Aufarbeitung zur Aufführungspraxis mit Studierenden der Musikakademie Minsk sowie mit individueller und wirkkräftiger Nachwuchsförderung. Es ist vorgesehen, ein Nachwuchstalent auszuwählen und ihm ein Reisestipendium nach Jena und Weimar mit Konzert im Orgelsommer 2019 zu gewähren.

 

Am 29. September 2018 begaben sich die 32 Musikerinnen und Musiker unter der Leitung von KMD Martin Meier auf die Reise nach Belarus. Nach einer Zwischenübernachtung in Breslau und einer zeitraubenden Kontrolle an der polnisch-weißrussischen Grenze erreichte die Gruppe nach rund 20 Stunden Fahrtzeit die weißrussische Hauptstadt. Anlass der Reise war die Einladung des deutschen Botschafters, Peter Dettmar, zu den Deutschen Wochen, die vom 23. September bis zum 18. November 2018 im 11 verschiedenen Städten in Weißrussland stattfinden.

Das musikalische Gepäck umfasste die Bachkantaten – „Nun komm, der Heiden Heiland“ (BWV 61) und „Christ lag in Todesbanden“ (BWV 4), Werke, die in Weißrussland kaum bekannt sind. Neben den Kantaten erklangen als Orchesterwerke das Orgelkonzert in g-moll op. 4 Nr. 3 von Georg Friedrich Händel und das Violinenkonzert d-moll RV 242 von Antonio Vivaldi. Feierlichen Abschluss eines jeden Konzertes bildete das „Tollite hostias“ von Camille Saint-Saëns. Drei Mal brachten die Jenaer dieses einstündige Konzert zu Gehör. In der weißrussischen Musikakademie der Landeshauptstadt versammelten sich rund 200 meist junge Gäste am Montagabend im Konzertsaal. Unter ihnen auch der deutsche Botschafter und die Leiterin der Staatlichen Musikakademie. Sie bedankte sich v.a. für den musikalischen Brückenschlag zwischen den beiden Ländern, eröffnete doch das Konzert der Thüringer zugleich die Konzertsaison 2018/19 an der Musikakademie. Diese Einrichtung ist vergleichbar einer deutschen Musikhochschule, an der gegenwärtig 1200 Studenten in allen Orchesterinstrumenten eine Ausbildung erhalten. Zugleich handelt es sich hierbei um die einzige Musikakademie in Weißrussland.

Am Vorabend zum Tag der deutschen Einheit empfing der deutsche Botschafter rund 500 Vertreter aus Wirtschaft, Kultur und Politik in dem Internationalen Bildungs- und Begegnungszentrum (IBB), benannt nach ihrem Gründer, dem ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Johannes Rau. Botschafter Dettmar warb in seiner sehr bewegenden Ansprache für die Verständigung zwischen den Nationen und für ein menschliches Miteinander in Europa und der Welt. Gedanken, die auch der stellvertretende Außenminister Weißrusslands, Oleg Krawtschenko, in seiner Rede im Anschluss aufgriff. Kammerchor und Orchester eröffneten den offiziellen Festakt mit den Hymnen der Bundesrepublik Deutschland, der weißrussichen Republik und der Europäischen Union.

InterCoral Jena e. V. schrieb bei dieser Reise erstmalig auch einen Nachwuchsförderpreis aus, mit dem Ziel, jungen begabten Musikern eine Konzert- und Studienreise nach Deutschland zu ermöglichen. Die Auswahl fiel auf die Organistin Katja Iwanowa, die ein zweckgebundenes Stipendium in Höhe von 500 Euro erhält, das zur Finanzierung ihrer Reise nach Mitteldeutschland im Sommer 2019 genutzt wird. In Jena und Weimar hospitiert und begleitet sie die Arbeit von KMD Martin Meier und eines Professors an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar. Die Preisübergabe erfolgte im Rahmen des Konzertes in der Marienkirche in Minsk, in der Kammerchor und Collegium musicum rund 200 Gäste zum abendlichen Konzert begrüßen konnten. Langanhaltender Applaus und Bravo-Rufe animierten die Musiker zu einer Zugabe.

Der Anspruch der Reise zur Versöhnung beizutragen, erlebte mit dem Besuch der Nationalen Gedenkstätte in Chatyn einen emotionalen Höhepunkt; den Ort, der seit 1969 an die Verbrechen der Nationalsozialisten gegenüber der weißrussischen Bevölkerung während des Zweiten Weltkrieges erinnert. Bewegt von der Erinnerungskultur des Ortes legten die Thüringer einen Kranz in den Jenaer Stadtfarben nieder und hielten eine musikalische Andacht am zentralen Mahnmal der Gedenkstätte.  

Die Fahrt führte über die viertgrößte Stadt des Landes, Witebsk, den Geburtsort des Malers Marc Chagall, weiter in die älteste Stadt des Landes nach Polozk. Auf Einladung von Xenia Pogorelaja konzertierte das Ensemble in der Sophienkathedrale, einer der größten und eindrucksvollsten Gotteshäuser des Landes, die seit ihrer Restaurierung 1985 auch als moderner Konzertraum genutzt wird. Rund 250 Gäste strömten zu diesem Konzertereignis und würdigten mit ihrem minutenlangen Applaus die in ihrem Land sonst eher selten erklingende Musik des Barock. Blumen und Geschenke als Ausdruck der Freude und des Dankes erhielt Martin Meier stellvertretend für seine Musikerinnen und Musiker für das Konzert in der Stadt, die für sich in Anspruch nimmt, der geografische Mittelpunkt des europäischen Kontinents zu sein.

Auf seiner letzten Station begegneten die Musiker erneut einem interessierten und aufgeschlossenen Publikum in der Johannes-Kirche in Hrodna, der einzigen evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde Weißrusslands. Auf Einladung von Wladimir Tatarnikow, der bereits in Jena zu Besuch war, intensivierten beide Kirchgemeinden ihren Kontakt. Vereint in der Musik und Grenzen überschreitend verabschiedeten sich die Thüringer am Samstagabend von rund 200 Gästen und traten die Heimreise über Warschau zurück nach Deutschland an.

Am Ende der Reise steht das Fazit, dass Musik Grenzen jedweder Art überwinden kann und persönliche Kontakte der Schlüssel für Austausch und Versöhnung sind.

 

Das Vorhaben wurde durch Spenden der Fa. Bauerfeind, der alternative 54 e. V. und der Volksbank Gera•Jena•Rudolstadt sowie Zuwendungen von JenaKultur und der Thüringer Staatskanzlei großzügig unterstützt.

Einladungsposter zum Konzert in der Staatlichen Musikakademie zu Minsk am 1. Oktober.

Ensemble auf Reisen. Dreißig Musikerinnen und Musiker des Kammerchors und des Collegium musicums der Kantorei St. Michael gestalten die Deutschen Wochen in einer Gastspielreise durch Weissrußland.
Gruppenbild nach der Aufführung in der Sophienkathedrale Polozk.
Musikalische Leitung: KMD Martin Meier, obere Reihe, 4. v. r.

Empfang Sr. Exzellenz, des Botschafters der Bundesrepublik Deutschland bei der Republik Belarus, Herrn Peter Dettmar, am Vorabend des Tages der deutschen Einheit. 

Während des Empfangs, bei dem das Ensemble die Eröffnung mit der deutschen, der belarussischen und der europäischen Hymne mitgestaltete,  ergaben sich vielfältige Möglichkeiten zum Kennenlernen der belarusssischen Kultur, auch bei Gesprächen mit dem Botschafter und seiner Gattin, denen wir ein Gastgeschenk überreichten.